Die Überlegungen dieses Beitrages beschäftigen sich in erster Linie mit der Ermittlung von Wertminderungen, die der Versicherer bei nicht ausgeglichenen Reparaturen im Wohngebäudebereich wie bei gewerblichen Immobilienversicherungen ersetzt.
Wahrscheinlich ist die Methode der Wertminderung auch in anderen Bereichen einsetzbar - dies kann hier gerne diskutiert werden.
Problemdarstellung
Die meisten Sachschäden wie Brand-, Sturm- und Leitungswasserschäden sind Teilschäden, Versicherer wie Versicherungsnehmer versuchen den Schaden gering zu halten, z.B. durch Schadenminderungsmaßnahmen. Eingriffe durch diese Maßnahmen wie auch Reparaturen, Anarbeitungen usw. sind nach Fertigstellung nicht immer 100% erfolgreich. Hier sehen die Versicherungsbedingungen eine Wertminderung vor.
Es stellt sich die Frage, wie die Wertminderung errechnet wird und wo die Grenzen sind, ab denen die Wertminderung nicht mehr angemessen ist und eine umfangreichere Wiederherstellung notwendig ist.
Versicherungsbedingungen
Die Versicherungsbedingungen kennen nur zwei Wertminderungen:
- die Wertminderung, bei der durch Alter und/oder Abnutzung der Neuwert zum Zeitwert reduziert wird und
- die Wertminderung bei nicht ausgeglichener Reparatur.
Letztere Bedingungen findet man z.B.:
GdV-Muster Wohngebäudeversicherung VGB 2016 - Wert 1914, A 18.1.1.2
Der Versicherer ersetzt außerdem eine Wertminderung, die durch die Reparatur nicht
ausgeglichen wird. Ersetzt wird aber höchstens der Versicherungswert zum
Zeitpunkt des Versicherungsfalls.
GdV-Muster Gewerbliche Versicherung AFB 2010, §8 Abs.1:
Der Versicherer ersetzt ... bb) bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch den Versicherungsfall entstandenen und durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung, höchstens jedoch den Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles.
Interessant in diesem Zusammenhang, welche weiteren, nicht vereinbarten Wertminderungen in der Schadenregulierung angewandt werden.
Wertminderungen
Wenn wir auch nur zwei Sorten Wertminderungen bei der Immobilien-Sachversicherung kennen, gibt es doch einiges zu beachten, nachfolgend einige Links zu Wertminderungen:
SchadenSemiotik
Semiotik ist die Lehre der Zeichen. Sie beschäftigt sich mit einzelnen Zeichen und allen Arten von deren systematischer Verbindung, mit der Wirkungsweise von Zeichen und dem Aufbau von Zeichensystemen.
Semiotische Analysen in der Architektur werden schon lange angewandt, ein bekannter Vertreter war z.B. der Semiotik-Professor Umberto Eco, weltweit bekannt wurde er durch seine Bücher wie der Name der Rose.
Semiotische Analysen können sowohl in der Architektur wie in der "Architektur kaputt" gleichsam angewandt werden; nachfolgend einige Links zur SchadenSemiotik/Semiotik:
Mangelbegriff nach BGB
Bewertungsliteratur und auch Forschungen in dem Bereich kennen wir hauptsächlich im Baumangel- und Bauschadenbereich, meist verursacht durch mangelhafte Planung und/oder Bauausführung.
Im Sachschadenbereich holt man sich dort Anregungen, wenn auch die Themen selten synchron sind.
Der Baumangelbegriff im BGB ist z.B. seit 2002 neu definiert und kann als Anregung dienen:
§ 633 Sach- und Rechtsmangel
(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,
1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst
2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
Die Stichworte auch bei der Sanierung von Sachschäden sind also
- die Verwendungseignung und die
- Beschaffenheit des Werkes.
Bewertungsmatrizen
Unsere Bewertungsmatrizen erinnern an die beiden Matrizen von Prof. Oswald zu technischen und optischen Mängeln.
Diese beiden Kategorien ergänzen sich nicht, wir halten es da mit Vitruvius und seiner triadischen Relation der Architektur mit den Bereichen Bauaufgabe - Form - Technik; Nelson Goodman hat die Trade weiterentwickelt und spricht von
- praktischen,
- ästhetischen und
- symbolischen Funktionen.
Bei Mängeln und Schäden sind Funktionen beeinträchtigt.
Zur Besetzung der X- und Y-Achse hilft uns Vitruv:
Wie nämlich auf allen Gebieten, so gibt es ganz besonders auch in der Baukunst folgende zwei Dinge: was angedeutet wird und was andeutet.
Dieses über 2000-Jahre-alte Wissen der Architektursemiotik ist synchron mit dem Mangelbegriff des BGB n.F.:
X-Achse: was angedeutet wird / Verwendungseignung
Y-Achse: was andeutet / Beschaffenheit
Beide Achsen sind mit einer Bewertungsskala von 0 bis 100% versehen, in 10er-Schritten und dazugehörig Adjektive, die die Einordnungen vereinfachen soll.
Die Tabelle gibt in den Schnittpunkten jeweils die gemittelte Wertminderung von Verwendungseignung und Beschaffenheit an.
Wertminderung vs. Wiederherstellung
Viele nicht ausgeglichene Reparaturen sind nicht hinnehmbar, auch mit einer Wertminderung nicht zu heilen. Es fragt sich, wo die Grenze liegt. Die ähnliche Grenze hatte auch Prof. Oswald definiert zwischen Minderwert und Nachbesserung bei Mängeln von Bauleistungen.
Die Grenze ist im Einzelfall variabel und wird auch von den betroffenen Anspruchstellern mit gestaltet, aus Erfahrungswerten liegt der Wertminderungsbereich unter 30 % (orange-gelb in den Matrizen dargestellt).
Matrizen
Praktische Beeinträchtigungen
Ästhetische Beeinträchtigungen
Symbolische Beeinträchtigungen
Beispielbewertung
- Die praktischen Funktionen werden einwandfrei erfüllt, der Putz entspricht genau den technischen Anforderungen in Bezug auf Beschaffenheit, Wärmeschutz, Schlagregenschutz etc.
- Die ästhetischen Funktionen werden übererfüllt, der gesamten Belegschaft wie den Besuchern gefällt die verwendete Farbe besser, als die vorher vorhandene Firmenfarbe.
- Die symbolischen Funktionen werden nicht erfüllt, der beabsichtigte Bezug zum Unternehmen ist nicht hergestellt, die neue Farbe erinnert vielleicht sogar noch etwas an das CI des Mitbewerbers.
Praktische und ästhetische Funktionen erfüllt, die symbolischen Funktionen sind sowohl in ihrer symbolischen Verwendungseignung wie in der symbolischen Beschaffenheit voll, also jeweils zu 100 %, beeinträchtigt, der Mittelwert liegt im Feld E4 auch bei 100 % Wertminderung.
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