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Keine Elementarschaden-Versicherungspflicht

Die Diskussion um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist in Deutschland aktuell sehr präsent. Elementarschäden umfassen Schäden, die durch Naturgewalten wie Hochwasser, Starkregen, Erdbeben oder Erdrutsche verursacht werden und können erhebliche finanzielle Belastungen für Hausbesitzer darstellen. Staatliche Finanzhilfen für Betroffene von Elementarschäden, die ihre Schäden weder aus eigener Kraft noch durch angemessene Vorsorge, wie eine Versicherung, beheben können, sind auf Dauer gesehen Politik und auch Bevölkerung zu teuer, der Ruf nach Pflichtversicherungen wird lauter.

Gesucht: alternative Lösungsansätze.

Hintergrund der Diskussion:

  1. Häufigkeit und Schwere von Naturkatastrophen: In den letzten Jahren haben Naturkatastrophen wie Hochwasser und Starkregen zugenommen, was zu erheblichen Schäden an Gebäuden geführt hat.
  2. Versicherungsquote: Derzeit sind nur etwa 50% der Hausbesitzer in Deutschland gegen Elementarschäden versichert. Viele verzichten auf eine Versicherung, weil sie zu teuer ist oder weil sie in Hochrisikogebieten leben und keine Versicherung angeboten bekommen.
  3. Staatliche Unterstützung: Oftmals springt der Staat ein, wenn Betroffene keine Versicherung haben. Dies führt zu hohen Kosten für die öffentlichen Kassen, aber auch zur Kritik an diesen Hilfen.

Billigkeitsleistungen des Staates

In Deutschland gibt es staatliche Finanzhilfen für Betroffene von Elementarschäden, die ihre Schäden weder aus eigener Kraft noch durch angemessene Vorsorge, wie eine Versicherung, beheben können.

Diese Hilfen sind als Billigkeitsmaßnahme gedacht und treten in Kraft, wenn auf überörtlicher Ebene schwere Schäden bei einem größeren Personenkreis aufgetreten sind.

Die Richtlinien für die Gewährung dieser Hilfen setzen voraus, dass die Betroffenen in eine außergewöhnliche Notlage geraten sind, die sie aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Zu den Voraussetzungen gehören erhebliche Schäden bei landwirtschaftlichen Betrieben, Vereinen, Gewerbebetrieben oder an Privatwohnraum und Hausrat, die ohne staatliche Unterstützung nicht zu beseitigen sind.

Es ist wichtig, dass die Notlage unverschuldet ist. Schäden, die durch regelmäßige Überschwemmungen in gefährdeten Gebieten oder durch Bauten ohne Genehmigung entstanden sind, fallen in der Regel nicht unter die Richtlinien für staatliche Finanzhilfen.

Im Allgemeinen müssen staatliche Hilfen nicht zurückgezahlt werden, wenn sie als Billigkeitsleistung gewährt wurden und die Betroffenen die Schäden nicht selbst tragen können.

Argumente für eine Pflichtversicherung:

  1. Entlastung der Steuerzahler: Eine Pflichtversicherung könnte die finanzielle Belastung für den Staat und somit für die Steuerzahler reduzieren.
  2. Gleichmäßige Verteilung der Kosten: Alle Hausbesitzer würden zur Kasse gebeten, was eine gerechtere Verteilung der Kosten zur Folge hätte.

Argumente gegen eine Pflichtversicherung

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist der Meinungsführer bei den Argumenten gegen eine Pflichtversicherung:

  1. Freiwilligkeit und Wahlfreiheit: Der GDV betont, dass eine Pflichtversicherung die Wahlfreiheit der Verbraucher einschränken würde. Stattdessen schlägt der Verband eine einmalige Angebotspflicht vor, bei der Versicherer verpflichtet wären, jedem Hausbesitzer ein Angebot für eine Elementarschadenversicherung zu unterbreiten. Die Entscheidung, das Angebot anzunehmen, bleibt jedoch beim Verbraucher.
  2. Risikobasierte Prämien: Eine Pflichtversicherung könnte dazu führen, dass die Prämien nicht mehr risikobasiert berechnet werden. Der GDV argumentiert, dass risikobasierte Prämien wichtig sind, um Anreize für Präventionsmaßnahmen zu schaffen und die tatsächlichen Risiken widerzuspiegeln.
  3. Kombination von Maßnahmen: Der GDV schlägt ein Gesamtkonzept vor, das aus drei Elementen besteht: mehr Prävention und Klimafolgenanpassung, freiwilliger Versicherungsschutz und eine Risikoteilung zwischen privaten Versicherern und dem Staat für extreme Naturkatastrophen.
  4. Kosten für Hausbesitzer: Eine Pflichtversicherung würde zusätzliche Kosten für alle Hausbesitzer bedeuten, unabhängig davon, ob sie in einem Hochrisikogebiet leben oder nicht. Dies könnte insbesondere für Menschen in Hochrisikogebieten eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen.
  5. Pflichtversicherungen für Elementarschäden könnten wichtige und notwendige Präventionsmaßnahmen bremsen 

Diese Argumente spiegeln die Bedenken des GDV wider, dass eine Pflichtversicherung nicht die beste Lösung für den Umgang mit Elementarschäden ist. Stattdessen plädiert der Verband für eine Kombination aus Prävention, freiwilligem Versicherungsschutz und staatlicher Unterstützung bei extremen Naturkatastrophen.

Reaktionen auf Billigkeitsleistungen des Staates

Beim Oderhochwasser 1997, als Jahrtausendhochwasser bezeichnet, ist mir noch eine Beschwerde eines Vereinskameraden im Ohr: Ein Arbeitskollege mit einer Immobilie im Oderbruch habe jetzt über 150.000 DM erhalten, das war aus seiner Sicht ungerecht.

Beim Ahrtal-Hochwasser haben hatten mir Betroffene berichtet, das Nachbarn mit einer Elementarversicherung neidisch auf diejenigen waren, die keine Versicherung abgeschlossen hatten, aber nun mit Steuergeldern sanieren können, was sogar in der Regulierung einfacher sein soll als mit der jeweiligen Versicherungsgesellschaft.

Lösungsansätze

Die Argumente des GDV sind einleuchtend, als Architekt und Schadensachverständiger überzeugt mich insbesondere der Punkt, dass eine Pflichtversicherung die Präventionsmaßnahmen bremsen könnte. Wir kennen das aus anderen Schadensbereichen: Versicherungsnehmer fühlen sich abgesichert, verlassen sich zu sehr auf die Regulierung, wichtige und andauernde sowie nachhaltige Vorbeugemaßnahmen werden oft unterlassen.

Die politischen Entscheider sind in einer schwierigen Situation: nicht zu helfen wird bei den Wählern nicht goutiert.

Es stellt sich aber die Frage, wie die Hilfe aussieht, wie Billigkeitsleistungen zukünftig aussehen müssen.

Zumindest bei Wohnimmobilien kann in Frage gestellt werden, ob einzelne Personen derart großzügig unterstützt werden müssen.

Unterstützung ja, aber muss das ein Geschenk sein, was auch Auswirkungen in der Erbfolge hat?

 

Um die betroffenen Ortschaften zu schützen, damit da auch keine Schrottimmobilien stehen bleiben, sollte der Staat mit günstigen Krediten helfen, die in der Rangfolge als erste Hypothek eingetragen werden müssen.

Auch dann, wenn die Betroffenen auf dem Kapitalmarkt diese Kredite nicht bekommen würden.

 

Der Staat würde nach und nach wieder Geld zurückerhalten, wenn die ursprünglich vom Schaden Betroffene Bewohner oder deren Erben die Immobilie veräußern, fließen die Gelder aus der Billigkeitsleistung insgesamt wieder zurück.

 

Die Lösung der Frage Risikoabsicherung bei Elementarschäden könnte in einer neuen Definition und Gestaltung der Billigkeitsmaßnahmen liegen.



Kolumne von Norbert Reimann, Berlin im August 2024


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