Architekten und Bauingenieure als Vertragspartner von Bauherren sind für diese zugleich Partner ihres Vertrauens
- als Ideengeber, Planer, Berater und insbesondere
- als Treuhänder
- Sie sind unabhängig von wirtschaftlichen Interessen Dritter
- Sie stellen im Rahmen der Koordinierung und Kontrolle der Bauausführung nicht nur die Einhaltung von Gestaltung, Funktionalität und Bauqualität sicher, sondern überwachen auch Kosten und Termine
Für Sachverständige, bei Sachschäden an Immobilien, im Auftrag der Eigentümer, die dann meist auch Versicherungsnehmer sind, kann dies, je nach Auftragsumfang, in gleicher Weise zutreffen.
Der nachfolgende Gedankengang entspringt diesem treuhänderischen Vertrauensverhältnis zu dem Kunden Hauseigentümer - Bauherr - Versicherungsnehmer.
Nicht betrachtet sind die besonderen Vertrags- und Datenschutzrechlichen Belange.
Qualitätsmanagement
Bei einer Qualitätsmanagementplanung für ein Beratungsunternehmen kommt man zwangsläufig zu dem Punkt: wer sind meine Kunden, wer sind meine Lieferanten; die Unterschiede liegen u.a. bei der Richtung des Geldflusses und bei den Verantwortungen.
Wichtig bei diesen Betrachtungen ist aber auch die Frage: wer ist der Kunde meiner Kunden, der Lieferant meiner Kunden.
Wir haben schon im Jahre 2009 bei der Erstellung eines QM-Handbuches nach DIN EN ISO 9001 ein Formblatt entwickelt mit der Bezeichnung: "FB Bewertung potenzieller Kundenlieferant"
Insbesondere muss offengelegt werden, wenn Kunden oder Lieferanten meiner Kunden an gemeinsamen Projekten beteiligt sind.
Probleme kann es bei Regulierungen mit strittigen Auseinandersetzungen geben, hier wird eine Vertragsloyalität auf eine harte Probe gestellt.
Das Thema wird mit einem Beispiel kurz skizziert, vielleicht gibt es Diskussionen und Anregungen zur Vervollständigung des Themenkomplexes.
Kritische Anmerkungen sind nicht nur erlaubt sondern erwünscht.
Kunden-Lieferantenbeziehungen bei der Sanierung von Sachschäden
Grafik 1 Kunden-Lieferantenbeziehung Versicherungsunternehmen - Versicherungsnehmer - Sanierungsunternehmen
Die Grafik zeigt noch mal die Sicht von außen: Sachverständige vertreten und beraten einen Versicherungsnehmer, der ist nach dem QM-Selbstverständis der Kunde des Sachverständigen. Umgekehrt ist der Sachverständige der Lieferant des Versicherungsnehmers.
Der Versicherungsnehmer/Bauherr hat im Schadensfall zwei weitere Lieferanten:
- sein Versicherungsunternehmen
- und ein oder mehrere Sanierungsunternehmen.
Rahmenverträge
Es gibt nun die Besonderheit, dass viele Sanierungsunternehmen sogenannte Rahmenvertäge mit Versicherungsunternehmen abgeschlossen haben. Das Interesse, welches die beiden Parteien daran haben, ist nachzuvollziehen.
Nach diesen Rahmenverträgen sind die damit gebunden Sanierer Schaden-Dienstleister der Versicherungsunternehmen.
Dass es zu Interessenkonflikten kommen kann mit einigen Fragestellungen zeigt nachfolgendes Beispiel, was aber kein Einzelfall ist, vielmehr gibt es immer wieder kritische Äußererungen zu diesem Interessenkonflikt.
Interessenkonflikt
Eine Versicherungsnehmerin erleidet einen größeren Leitungswasserschaden. Die Reguliererin der Versicherung geht den Schaden nur zögerlich-zurückhaltend an. Es werden Sachverständige beauftragt, deren Gutachten und Stellungnahmen aber unter Verschluss bleiben. Die Versicherungsnehmerin beauftragt darauf hin selbst einen Sachverständigen.
Dieser bittet im Auftrag der Versicherungsnehmerin einen Sanierer um einen Ortstermin und um ein Sanierungsangebot.
Der Sachverständige wie die Versicherungsnehmerin fragen regelmäßig nach dem Verbleib des Angebotes, werden vertröstet. Bei der letzten Nachfrage wurde bestätigt, dass das Angebot schon "raus" sei, aber nur an die Versicherung und man warte als Sanierungsunternehmen auf die Beauftragung durch die Versicherung.
Hier stellt sich die Frage: kann das Sanierungsunternehmen das Unternehmen des Vertrauens der Bauherrin und ihrem Berater werden? Oder ist es garnicht beabsichtigt und dem Markt geschuldet garnicht notwendig?
Das Sanierungsunternehmen war nicht beauftragt und nicht berechtigt Daten, Fotoaufnahmen, Unterlagen, Gesprächsnotizen etc. an Dritte weiterzugeben, die Absichtigt wurde auch nicht kommuniziert.
Es stellt sich weiterhin die Frage, ob die bestehenden Datenschutzvorschriften eingehalten wurden, was sicherlich bezweifelt werden kann.
Grafik 2 Versicherungsnehmer: Lieferant ist auch Lieferanten-Lieferant
Fazit
Wenn ein Hauseigentümer und Versicherungsnehmer die Wahl hat, zwischen zwei vergleichbaren Angeboten von Sanierungsunternehmen zu wählen und zwar von
- einem Sanierer mit Rahmenvertrag mit dem Versicher des VN und
- einem Sanierer ohne Verträge mit dem Versicherer
und wenn die Inhalte der Rahmenverträge im Einzelnen nicht bekannt sind, ist der Sanierer 2 vorzuziehen.
Wenn es nicht klar ist, ob solche Rahmenverträge vorliegen, ist eine Nachfrage empfehlenswert.
So lange die Inhalte der Rahmenverträge nicht bekannt sind, lässt sich ein Interessenkonflikt nicht ausschließen.
Ergänzung ortsübliche Preise
26. September 2024
Bei Schadenereignissen werden oft Angebote von Sanierungsfirmen, die mit den Versicherern vertraglich durch Rahmenverträge verbunden sind, mit dem Hinweis, dass für die ausgewiesene Summe auch andere Firmen den Auftrag übernehmen können. Das Angebot wird als ortsüblich bezeichnet.
Häufig trifft dies natürlich nicht zu und dem Versicherungsnehmer bleibt es verwehrt, Firmen seines Vertrauen zu beauftragen.
Hier hilft ein Sachverständigenverfahren, wenn dem Versicherungsnehmer die durch neuere Verträge nicht verwährt sind.
Erläuterung Grafik Kunden-Lieferantenbeziehungen
SV = Sachverständige als Berater
VR = Versicherung
VN = Versicherungsnehmer oder Versicherungsnehmende, meist Eigentümer der versicherten Sache, bei der Sanierung von Immobilienschäden Bauherren nach den Landesbauordnungen
SAN = Sanierungsunternehmen im Auftrag der VN aber auch der VR (Rahmenverträge, Dienstleister der Versicherungswirtschaft)
Kunde = aus der jeweiligen Sicht, in Umkehrschluss Lieferant
A, B = Alternativen
Kolumne von Norbert Reimann, Berlin im August 2024
Kommentar schreiben
Dr. Peter Meier (Sonntag, 11 August 2024 15:37)
Das ist - aus der Sicht des Qualitätsmanagements - eine kluge Anwendung der klassischen gegenläufigen Ketten „Supply Chain“ (Lieferung / Lieferkette) von Werten und „Demand Chain“ (Nachfrage / Nachfragekette) nach Werten. Entlang dieser Ketten wird stufenweise um die Anteile an der gesamten mehrstufigen Wertschöpfung „gekämpft“. Das betrifft alle Produkte (materielle Güter, immaterielle Dienste und materielle / immaterielle Hybride).
Die Berücksichtigung von Interessen der „Interessierten“ an den Werten und ihrer Eigentümer in einer solchen Kette ist im Zusammenhang mit Sachverständigen.
Und dann noch die Betrachtung des Geldflusses in diesen Ketten und Netzen. Das, was der Qualitätsbegriff in der Definition der ISO 9000:2018 völlig ignoriert.
Keep on running, Norbert!
Dirk Schneider (Dienstag, 13 August 2024 09:41)
Die Absurdität nimmt noch zu, wenn der Versicherer direkt den Sanierer beauftragt.
In einem Fall mit der HUK Coburg hat der Sanierer ein Angebot erstellt, dass ich prüfte und an den VN+VU verteilt habe. Die HUK hat dann den Auftrag erteilt! Der Sanierer hat diverse Böcke geschossen, die bemängelt wurden.
Der VN hat bei mir angerufen und die Schlechtleistung angeprangert - ich wurde plötzlich in LPH 8 gedrängt und musste mich dem erwehren. Aber wann beginnt und endet LPH 8? Wenn man den VN nicht im Regen stehen lassen will, und steuernd eingreift, bin ich dann schon dabei?
Der VN hatte aber eigentlich kein direktes Vertragsverhältnis mit dem Sanierer - die Rechte und Pflichten von Besteller und Lieferanten waren völlig verwaschen.
Glücklicherweise ist der Sanierer in die Nacherfüllung eingestiegen und hat seine Mängel zähneknirschend behoben. Aber der rechtliche Nebel war tatsächlich undurchdringlich.
Keinesfalls sollte ein VN eine Firma arbeiten lassen, die direkt vom Versicherer beauftragt wurde.
Dr. Peter Meier (Samstag, 17 August 2024 11:12)
Nun ist eine lineare Lieferkette ein theoretisch ideales Denkmodell über das es nicht soviel zum Denken gibt.
Eine praktisch reale Lage ist immer eine vernetzte Überorganisation von vielen Interessierten und vielen Interessen und damit vielen Beziehungen. Jeder Interessierte managt sich, bzw. seine Organisation in der Absicht einen Anteil an der Wertschöpfung für sich zu gewinnen. Beeinflussung und Auswirkungen auf die anderen Interessierten sind dabei geplant. Interessen und Interessierte verändern sich. Das ist ein komplexes dynamisches Beziehungsnetz, in dem „gekämpft“ wird. In diesem Netz werden „Werte“ im weitesten Sinne und aller Art „gehandelt“. Mit allen Freiheiten. Mit Einschränkungen der Freiheiten durch Regularien, die Komplexität rausnehmen.
Norbert Reimann (Freitag, 18 Oktober 2024 07:19)
Ergänzend und als Problemlösung bietet sich eine vertrauensbildende Maßnahme der Doppelvertragler an, in dem kommuniziert wird, dass man an Rahmenverträge gebunden ist und die vor Vertragsabschluss dem Auftraggeber/Versicherungsnehmer auch offenlegt.
Norbert Reimann (Freitag, 18 Oktober 2024 07:30)
Beispiel KI mit Perplexity: https://www.perplexity.ai/
Frage: Kritische Betrachtung von Rahmenverträgen der Versicherungsunternehmen mit den Sanierungsdienstleistern für Gebäudesachschäden und welche Inhalte sind vereinbart?
Antwort: https://www.perplexity.ai/search/kritische-betrachtung-von-rahm-l3Ip0hybRrOaTR5cn.rPKw