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Die Kunst der Fuge

Die Kunst der Fuge 

VdS 3151, Richtlinien zur Schimmelpilzsanierung nach Leitungswasserschäden

Inhalt
Schimmelrichtlinien allgemein anerkannte Regeln der Technik?
Sanierungsmethoden nach VdS 3151
Schadenregulierung
Kostenschaden
Sachschaden
Abschottung als Sanierungsmaßnahme
Regulierung Reparaturen
Nutzungsempfehlung
Zusammenfassung

 

Schimmelrichtlinien allgemein anerkannte Regeln der Technik?

Kaum eine Institution, Verband oder Vereinigung die sich mit dem Schimmelthema befasst, konnte in den letzten Jahren auf eine eigene Schimmelrichtlinie verzichten; für den Anwender stellt sich die Frage nach Unterschieden und ob es sich bei allen Richtlinien um Regeln der Technik handelt.
Nach EN 45020 werden anerkannte Regeln der Technik wie folgt definiert: „technische Festlegung, die von einer Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen wird.“
Für gültige DIN-Normen z.B. besteht nur die Vermutung, dass sie den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, analog gilt dies für die meisten auf dem Markt befindlichen Richtlinien.
Diese Vermutung ist widerlegbar, denn in den Richtlinienausschüssen werden auch Interessenstandpunkte vertreten.
Einen Überblick der Schimmelrichtlinien kann der Seite http://www.baubiologie-regional.de/news/Inflationaere-Richtlinien-Zertifikate-und-Weiterbildungsangebote-bei-Schimmel-770.html entnommen werden.
Nachfolgende Betrachtungsschwerpunkte beschäftigen sich mit einem Teil der neuesten Richtlinie, der VdS 3151, Publikation zur Sach-Schadensanierung: Richtlinien zur Schimmelpilzsanierung nach Leitungswasserschäden, Herausgeber: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), zu finden unter http://vds.de/fileadmin/vds_publikationen/vds_3151_web.pdf

Nach der Präambel der Grundsätze für die Erstellung von Prüfgrundlagen der VdS Schadenverhütung GmbH (VdS) erfolgt die Entwicklung von Prüfgrundlagen ausschließlich dann, wenn es keine bestehenden Normen gibt, die qualitativen Anforderungen nach dem aktuellsten Stand der Sicherheitstechnik und neuesten technischen Erkenntnissen genügen.

Hier stellt sich also die Frage, worin sich die VdS 3151 gegenüber dem vielfältigen Schimmelrichtlinienwerk unterscheidet.

 

Sanierungsmethoden nach VdS 3151

Ein Alleinstellungsmerkmal der VdS 3151 scheinen die auszuwählenden Sanierungsmethoden zu sein:

6.2 Auswahl der Sanierungsmethoden
Zur Erreichung des Sanierungsziels sind folgende Methoden möglich:
  • reinigen,
  • reinigen und desinfizieren,
  • zur Raumseite hin so abschotten, dass keine Belastung der Innenraumluft erfolgen kann,
  • ausbauen und entfernen (demontieren).
Die Methoden werden in Abhängigkeit von der Art des Befalls (primärer Befall oder sekundäre Verunreinigung) ausgewählt. Sofern die Sanierungsziele allein durch Reinigung erreicht werden können, kann auf die Desinfektion verzichtet werden.
Insbesondere die dritte der vier auswählbaren Sanierungsmethoden, die Abschottung, sollte genauer untersucht werden.

Schadenregulierung

Da sich die Richtlinie auf eine Sanierung nach Leitungswasserschäden bezieht, sollen die Sanierungsmethoden unter den Vorschriften des Versicherungsrechts betrachtet werden.

Kostenschaden

Bei den beiden ersten Sanierungsmethoden

  • reinigen und
  • reinigen und desinfizieren

aber auch bei den Trocknungsmaßnahmen handelt es sich um Schadenminderungskosten nach § 82 des VVG (Versicherungsvertragsgesetz):

Abwendung und Minderung des Schadens
(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.
(2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. …

„Läuft beispielsweise Löschwasser in den Keller des versicherten Gebäudes, so handelt es sich bei den Kosten für das Auspumpen des Kellers in der Wohngebäudeversicherung um Schadenminderungskosten“ Horst Dietz, 3.1, 2. Auflage

 

Sachschaden

Anders verhält es sich mit den Sanierungsmethoden

  • zur Raumseite hin so abschotten, dass keine Belastung der Innenraumluft erfolgen kann,
  • ausbauen und entfernen (demontieren),

hier werden versicherte Sachen ersetzt oder es wird eine Reparatur versucht durch Abschottung.

Abschottung als Sanierungsmaßnahme

Die Schimmelbelastung eines getrockneten Estrichs kommt im Wesentlichen über die Estrich-Randfugen in die Innenraumluft. Bei einer Abschottung sollen die Fugen gasdicht verschlossen werden, wenn noch eine Schimmelbildung über festgelegten Grenzwerten im Unterboden festzustellen ist.
Die Kunst der Fuge, bisher ein Element der Musik, hält somit mit der Abschottungsfuge Einzug ins Bauwesen, insbesondere in die Sanierung von Leitungswasserschäden.
Fugen im schwimmenden Estrich, bisher Fugen zur Erfüllung einer einzigen Funktion, nämlich die Bauteiltrennung, sollen und werden nun gleich mehrere Funktionen erfüllen (in der Musik sind dies Doppel-, Tripel-, Quadrupel- und Permutationsfugen):

  • Schimmel und Sporen sollen durch die Abschottungsmaßnahme nicht in die Raumluft gelangen
  • Der Einsatz der Abschottungsfuge soll Baukosten einsparen, die bei einem Austausch des belasteten Estrichs anfallen
  • Die Fuge selbst wird dann zukünftig Gegenstand von Bewertungen, Dokumentationen, Kennzeichnung, Überprüfung und Austauschintervalle sowie
  • Als Grund ständiger Besorgnis der Menschen, die mit diesen Fugen leben müssen.

Die lateinische Wortherkunft von Fuge ist fuga und bedeutet Flucht: Nomen est Omen, was die neuen Meister der Fuge bedenken sollten.

 

Regulierung Reparaturen

Es ist fraglich, ob eine bestimmungsgemäße Regulierung einer Schimmelpilzsanierung nach einem Leitungswasserschaden durch Abschottungsfugen Einsparungen in der Schadenregulierung bringen wird.
VGB 2010 regelt z.B. in § 13 die Entschädigungsberechnung in der Gleitende Neuwert- und Neuwertversicherung. Danach ersetzt der Versicherer unter bb):

bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles

Wertminderung

Die Sanierung eines Bauteils mit kritischer Schimmelbelastung erfolgt üblicherweise durch den Abriss und Neueinbau des Bauteils. Lediglich eine Abschottung der Fugen stellen das Bauteil nicht wieder wie vor Eintritt des Versicherungsfalls her.
Ein Bauteil mit Abschottungsfugen birgt viele Gefahren und Risiken

  • Es darf bezweifelt werden, dass eine Abschottung ausreichend dauerhaft gasdicht ausgeführt werden kann
  • Probleme wird es geben bei Abgrenzungen der Abschottungsbereiche (betroffene Teilbereiche lassen sich nicht abzugrenzen)
  • Probleme auch bei Kabel- und Rohr- und Leerrohrverbindungen im und unter dem Estrich in andere Grundrissbereiche und andere Geschosse
  • Eine entsprechende Abschottungsfuge müsste entsprechend gekennzeichnet werden, damit Nutzer und Mieter der Räume bei Bau- und Renovierungsarbeiten darauf Rücksicht nehmen können
  • Die unterschiedlichen Möglichkeiten von Abschottungsausbildungen sind „nicht geregelte Bauprodukte“ oder „nicht geregelte Bauarten“, eine Verwendbarkeit müsste wahrscheinlich mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des DIBt nachgewiesen werden.
  • Eine Wohnung verliert sehr wahrscheinlich an Mietwert, wenn der Estrich abgeschottet ist
  • Eine Abschottungsfuge gegen den Wunsch des Mieters birgt Mietprozessrisiken
  • Auch der Wert der Immobilie reduziert sich wahrscheinlich in höherem Maß als die Sanierungskosten für einen Austausch der Bauteile ausmacht.
  • Wenn die Abschottungsmaßnahmen beim Verkauf verschwiegen werden, greift sicherlich das Schadenersatz-Urteil des BGH (Az.: V ZR 275/12).
  • Bei Immobilien mit mehreren Eigentümern: Estrich ist Gemeinschaftseigentum, auch wenn sich der Estrich in Räumen befindet, die zum Sondereigentum gehören. Regulierungsprobleme beim Versuch einzelne Wohnungen mit Abschottungsfugen zu versehen sind nach den VGB 2010 zu erwarten:
§ 6 Wohnungs-und Teileigentum
1. Ist bei Verträgen mit einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern der Versicherer wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer ganz oder teilweise leistungsfrei, so kann er sich hierauf gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern wegen deren Sondereigentums sowie deren Miteigentumsanteile nicht berufen.
2. Die übrigen Wohnungseigentümer können verlangen, dass der Versicherer sie auch insoweit entschädigt, als er gegenüber einzelnen Miteigentümern leistungsfrei ist, sofern diese zusätzliche Entschädigung zur Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums verwendet wird.
  • Nachträgliche Grundrissveränderungen sind nicht oder nur unter Einbeziehung der Sanierung der belasteten Bauteile möglich.

Die Aufzählung ist nicht vollständig.
Es ist zu vermuten, dass es mit dieser Regelung in der Praxis sehr unterschiedliche Regulierungen geben wird, insbesondere in der versicherungsfernen Regulierung durch externe Regulierungsgesellschaften.

 

Kosten

Wenn Beispielsweise bei einer belastetet Konstruktion der Ausbau und die Neuherstellung 10.000 € = X Kosten verursacht, eine entsprechende Fuge 2.000 € = Y kostet, wäre die maximale Wertminderung X-Y = Z = 8.000 €.
Für eine spätere Sanierung fehlt die Summe Y = 2.000 €, das sind die Kosten für die zuvor abgeschotteten Fugen als Renovierungsleistung.
Wirtschaftlich ist es nicht ratsam, die Sanierung belasteter Bauteile durch Abschottung zeitlich aufzuschieben.

 

Langzeitprognosen

Da es keine belastbaren Forschungen gibt, wie lang eine Abschottung erforderlich ist, gibt es keine Alternative für einen Austausch belasteter Bauteile.
Es ist eher damit zu rechnen, dass in der Vergangenheit Leitungswasserschäden falsch saniert wurden und dass mit einer großen Anzahl schimmelbelasteter Wohnungen zu rechnen ist.
In der VdS 3151 fehlen Hinweise zu dieser Problematik.

 

Nutzungsempfehlung

Die Sanierungsmethoden in der VdS 3151 sollten auf drei Methoden beschränkt werden:

  • reinigen,
  • reinigen und desinfizieren,
  • ausbauen und entfernen (demontieren).

Die Methode

  • zur Raumseite hin so abschotten, dass keine Belastung der Innenraumluft erfolgen kann,

sollte ersatzlos gestrichen werden. Ein Festhalten an dieser Methode ist mit vielen Nachteilen und Unsicherheiten verbunden und bringt den Versicherungsunternehmen wahrscheinlich kein Einsparpotential in der Regulierung von Leitungswasserschäden.

 

Zusammenfassung

Über die neu erschienene VdS 3151 „Richtlinien zur Schimmelpilzsanierung nach Leitungswasserschäden“ wird die Sanierungsmethode „belastete Bauteile zur Raumseite hin so abschotten, dass keine Belastung der Innenraumluft erfolgen kann“ im Bauwesen eingeführt, was meist durch entsprechende Fugenausbildungen erfolgen soll.
Diese Methode soll helfen, Sanierungskosten einzusparen, da die Alternative Aus- und Neueinbau der betroffenen aber auch von unbelasteten Bauteilen mit entsprechenden Folgekosten ist.
Die Spar-Sanierungsmethode birgt allerdings große Risiken und es zeigt sich, dass bei einer bestimmungsgemäßen Regulierung keine Kosten einzusparen sind.
Zur Unterstützung der allgemeinen Anerkennung der VdS 3151 sollte diese Sanierungsmethode aus den Richtlinien entfernt werden.

Norbert Reimann
Berliner SchadenSeminar

Abbildung
aus VdS 3151, Seite 17: Die wandernden Zonen bei der Estrich-Dämmschichttrocknung. Schimmelpilzwachstum kann nur in der relativ schmalen feuchten Zone stattfinden.

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